Sonntag, 16. Dezember 2012

Wie bei den sieben Zwergen

Die Einheimischen lassen ihre Häuser oft unverschlossen. Im Engadin wird nämlich nichts gestohlen, eher etwas gebracht.

In der ersten Zeit kamen die Nachbarn oft zu Besuch, um die Baufortschritte zu kommentieren und haben dann den Kopf geschüttelt, wenn sie klingeln mussten. "Typisch Unterländer!" hiess es dann. Also haben wir während der Bauzeit den Handwerkern einen Schlüssel zur Verfügung gestellt - natürlich schon in der Meinung, dass das Haus abends abgeschlossen wird. Immerhin hatten wir bereits einige persönliche Gegenstände drin - Matratzen, Bettwäsche, Handtücher, ausgeliehenes Geschirr und Besteck - na, ja, viel war's wirklich nicht. Wir haben festgestellt, dass es sich mit nur ca. 40 Gegenständen komfortabel leben lässt. Das war eine gute Erfahrung!

Eines Abends, als wir wieder mal anreisten, war die Haustüre offen. Die Wohnungstüren natürlich ebenfalls. Ich machte das Licht an, und das erste, was ich sah, war eine Bierflasche auf der Fensterbank. Na ja, Handwerker, dachte ich. Dann betrachtete ich das weisse Häufchen daneben - sah komisch aus. Als ich es in die Höhe hielt, entpuppte es sich als BH. Ich rief meine Tochter. Die meinte, so was Hässliches würde sie nicht tragen (ich auch nicht!). Tja, weibliche Handwerker im Engadin? Ich kannte keinen ... Die nächste Station war das Schlafzimmer. Wir haben Klappläden, die nicht ganz einfach zuzumachen, zu öffnen und festzustellen sind. Nun, die waren jedenfalls nicht so, wie wir sie verlassen hatten. Blick ins Bad. Zigarettenasche in der Badewanne ...???! Tja, ich fühlte mich wie bei den sieben Zwergen. "Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?" "Wer hat aus meinem Becherlein getrunken?" "Wer hat in meinem Bettlein geschlafen?" Es war nach 22.00 Uhr. Aber wer hatte in unseren Betten geschlafen? Das Ende vom Lied war, dass wir alles wuschen, putzten, tumblerten und neu bezogen - danach genehmigten wir uns noch ein Bier auf der Terrasse unter klarem Sternenhimmel.

Am nächsten Morgen fanden sich pünktlich um 07.30 die Handwerker ein. Ich begrüsste sie und fragte dann, wer wohl den BH bei uns vergessen habe. Grosse Augen rings im Kreis. Nun, jedenfalls habe ich darauf bestanden, dass von nun an abgeschlossen wird. Etwas schade ist es schon, jetzt bringt mir niemand mehr etwas ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen