Um 08.37 stieg ich in Scuol in die Rhätische Bahn in Richtung Pontresina. Bis nach Zernez dauert es ca. 45 Minuten. Das Postauto (hinten, es biegt gerade um die Kurve), kommt kurz nach Ankunft des Zuges. Man kann übrigens auch von Zernez mit dem Postauto ins Zollfreigebiet von Livigno fahren. Ich war allerdings noch nie dort; Natur gefällt mir besser als Luxusgeschäfte.
Ca. 1 h dauert es mit dem Postauto über den Ofenpass ins Val Müstair. Das ist wirklich das hinterste und letzte, und auch eines der allerschönsten Täler der Schweiz! Ausgestiegen bin ich im ersten Dorf nach dem Ofenpass, Haltestelle Tschierv Plaz. Es war ein herrlicher Tag, am Morgen noch angenehm kühl; Tschierv hatte ganz früh am Morgen sogar noch Minustemperaturen.
Nach ca. 1 h Wandern gelangt man nach Fuldera. Hier ein romantischer Holzbrunnen am Dorfeingang.
Fuldera ist ein wunderschön renoviertes Engadinerdorf mit einem modernen Gemeindehaus mit Postautohaltestelle. Unten im Gemeindehaus ist ein winziger Dorfladen. Dort habe ich einen herrlichen Käse aus dem Münstertal gekauft, der mir später sehr zustatten kam!
So wundervoll war es auf der nächsten Wegetappe hinter Fuldera!
Tierisches habe ich unterwegs auch bestaunt. Bei dieser Familie fragte sich, wer wen führt: Familie den Esel oder der Esel die Familie. So ganz klar war es nicht ... die Mutter meinte: das sei Wandern "langsam". Meine Tochter und ich haben vor vielen Jahren auch einmal eine zwei-Tages-Wanderung mit Esel gemacht. Solange wir ihn führten, lief er nicht. Als ich das Gepäck schulterte und meine Tochter den Esel bestieg, ging es wunderbar! Es waren tolle Tage mit dem Esel Till!
Noch mehr Tierisches im nächsten Dorf: dieses Schaf wollte ganz offensichtlich aus seinem Gehege gelassen werden. Scharrte mit den Hufen, suchte mit den Zähnen den Riegel - sage niemand mehr, Schafe seien dumm!
Tja, und hier konnte ich nicht einfach vorbeigehen. Katze an der Leine? Wo gibt's denn so was? Im Münstertal liebt eine Besitzerin ihren wilden kleinen Kater so sehr, dass er aus Angst, dass er fortlaufen könnte, nur an der Leine aus dem Haus darf .... Hier ist es eindeutig: Katze führt Besitzerin.
Ich bin einfach das Tal hinunter gegangen. Mal auf der einen Route (dem "Bärenweg", der immer wieder von Skulpturen, Gedichten und Geschichten gesäumt wird), mal auf der anderen (den Rombachweg entlang dem Bach oder Fluss Rom oder Ram, wie er dann in Italien heisst). Beide Wege sind schön, der Rombachweg verläuft direkt am Flussufer, ist angenehm schattig und kühl, aber man sieht halt nicht so viel wie auf den Wegen im Talboden. Diese herrliche Bergwiese blüht kurz vor Müstair.
Und beim Rombachweg gibt es schon mal seeehr schmale Brückli zwischendurch... ich bin glücklicherweise trocken geblieben.
Höhepunkt der Wanderung ist zweifellos Kloster Müstair, ein Weltkulturerbe. Gegründet wurde es von Karl dem Grossen. Eine Statue des Kaisers steht rechts vom Altar (auf dem Foto links von der zweiten Säule von rechts). Die Kirche ist romanisch mit ersten gotischen Elementen und mit grossartigen Fresken geschmückt. Man sollte unbedingt inne halten und die Kirche anschauen. Auch der Klosterladen ist einen Besuch wert. Neben Religiösem gibt es eine Reihe lokaler Spezialitäten, bis hin zum Arvenlikör. Wer gemütlich läuft, braucht bis Müstair ca. 4 1/2 Stunden. Ich war zügig unterwegs und brauchte nur 3 1/2. Also habe ich eine Wanderkarte vom Vinschgau (Südtirol) gekauft und geschaut, ob ich bis Glurns - Glorenza laufen kann. Wegstrecke ca. 15 km. Erkundigt habe ich mich natürlich auch. Ja, wenn ich auf dem Veloweg laufe, dauere es ca. 2 1/2 Stunden. Die berühmten Waalwege (das sind Wege entlang der alten Bewässerungsrinnen) seien noch geschlossen. Gut, also los - müde war ich nicht.
Oh, bella Italia! Die hübschen jungen Zöllner - nicht aus der Region, denn sie sprachen nur italienisch - haben mich fassungslos angeschaut, als ich erzählte, dass ich nach Glorenza laufe. Etwas weit, meinten sie ...
Endlich im Südtirol, und auch gleich in den Apfelplantagen! Hier, kurz vor Glurns, habe ich mich das einzige Mal verlaufen. Ich wollte eine Abkürzung nehmen (leider ging es nach dem Motto "short cuts make long delays"), weil meine Füsse inzwischen recht weh taten. Bin also mitten in den Obstgärten gelandet, wo auch der Weg aufhörte. Also leider die Böschung rauf zur Fahrstrasse und entlang der viel befahrenen Strasse die letzten 2 km nach Glurns.
Und hier der erste Blick auf die mittelalterliche Stadtmauer, die vollständig erhalten ist. Glorenza gilt als das "Rothenburg" des Südtirol. Dort habe ich wunderbaren Tiroler Speck gekauft, vor der Stadtmauer den letzten Käse gegessen, auf dem Dorfplatz gesessen und eine Skizze gemacht, und bin um ca. 17.00 Uhr ins Postauto gestiegen. Vom Rückweg nach Zernez habe ich nicht mehr viel mitbekommen, ich bin ziemlich schnell eingeschlafen. War gegen 20.00 Uhr wieder in der Chasa Diala - und um 21.00 Uhr schon tief im Bett. Es war ein wunderbarer Tag!
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